Er hat einmal gesagt, die Verleihung der Ehrenbürgerschaft seiner Heimatgemeinde Altendiez sei ihm die wichtigste aller Auszeichnungen. Und wer ihn und sein Handeln im Sport ein wenig verfolgt und verstanden hat, der wird begreifen, dass ihm auch der 2009 verliehene „Leo-Baeck-Preis“ für seinen Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rechtsextremismus sehr viel wert war.
Am heutigen 6. Juni wurde Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes von 2004 bis 2012 und Vorsitzender des Fußballverbandes Rheinland von 1992 bis 2001, 80 Jahre alt. Gefeiert wurde im kleinen Rahmen in Altendiez. Er sei zufrieden, sagt er. Seine Frau Inge, die beiden Söhne Frank und Ralf sowie die vier Enkelkinder sind heute der Mittelpunkt seines Lebens. Er brauche den DFB nicht mehr, nicht die Politik oder andere Aufgabenfelder. Radfahren mit guten Freunden, hier und da ein Vortrag, sich in Altendiez sozial engagieren oder für das im Ort ins Leben gerufene Gymnasium auf genossenschaftlicher Basis Verantwortung übernehmen, das füllt ihn aus. Das sind seine Aufgaben heute. Zwischen ihm und seiner Gemeinde, wo er Fußball im VfL spielte und Vorsitzender war, gibt es keine Brüche. Dieses intakte Verhältnis wird ihm immer bleiben.
Jurist, Landtagsabgeordneter, Regierungspräsident in Koblenz, Richter am Oberverwaltungsgericht, das sind einige seiner Stationen in der Welt außerhalb des Sportes. Auch hier hat er es sich und seiner Umgebung nie einfach gemacht. Er war ein großartiger Regierungspräsident, aber er gehörte auch zu den Anführern in der CDU des Landes, die bei dem wohl spektakulärsten Parteitag 1988 in Koblenz den Rücktritt von Bernhard Vogel als Parteivorsitzender und Ministerpräsident provozierten. Dabei wollten Zwanziger, Wilhelm und Co. eigentlich nur die personelle Trennung der beiden wichtigen Ämter. Die CDU hat sich eigentlich bis heute von diesem Bruch, der quer durchs Land ging, nicht mehr erholt.
Manch einer wird da eine Parallelität zu seinem Wirken im Deutschen Fußball-Bund sehen. Er war einer der wichtigen Gestalter der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, er verordnete dem DFB Themen, die ihm ungeheuer gut zu Gesicht standen: Das Deutlichmachen der sozialen und integrativen Bedeutung des Fußballs auf allen Ebenen, der Kampf für eine stabile Zukunft des Fußballs der Frauen und Mädchen, Fußball als Schulsport, der Blick über den Zaun des Fußballs hinaus mit der Förderung des Behindertensportes oder der Deutschen Sporthilfe mit Mitteln des Fußballs. Das wird bleiben und sich mit dem Namen von Theo Zwanziger verbinden. So wie seine bedeutende Rede bei der Trauerfeier für Robert Enke im Stadion von Hannover. Er sprach frei und sagte das, was andere mit 20 Seiten Manuskript in der Hand nicht vermocht hätten. Der Tag in Hannover hat zugleich deutlich gemacht, mit welcher Liebe und Emotionalität er zum Fußball stand. Das gesprochene Wort war überhaupt seine Stärke. Wie kein anderer konnte er überzeugen.
Den Fußballverband Rheinland hat er als Schatzmeister und Vorsitzender geprägt. Auch seine Stiftung, die später in „Fußball hilft!“ überging, hat dem Fußball gedient. Theo Zwanziger hatte dabei im Ehrenamt wertvolle Verbündete wie Matthias Weber, Eduard Schneider vor allem, Heinz Fink und lange auch Norbert Weise und Walter Desch. Mit der WM 2022 in Katar und der Entgegennahme eine große Spende für das Ahrtal aus dem Emirat durch „Fußball hilft“ brach sein Verhältnis zum eigenen Verband.
Zwanziger war der entschiedenste Gegner der Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar gewesen. Das ließ sich für ihn nicht mit Werten wie Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit und auch der Würde von Frauen verbinden. Als 2022 zu lesen war, dass der Wüstenstaat ihn bespitzelt und den Versuch unternommen hatte, seine Meinung zu beeinflussen, sah er darin auch einen Zusammenhang mit der Million aus Katar für „Fußball hilft!“. Theo Zwanziger legte alle Ämter im Verband, auch das des Ehrenpräsidenten, nieder. Er brach mit seinem Verband, mit langjährigen Freunden.
Seine Zeit im FVR war geprägt gewesen von positiven Entwicklungen im Fußball der Mädchen und Frauen, einer großen Liebe zu der Partnerschaft mit dem ungarischen Komitat Komárom-Esztergom, der Entwicklung von Ausbildung und Jugendarbeit und der Stärkung der Kreise und Vereine. Dass er am Ende das alles aufgab, ist ein unveränderlicher Teil seiner Auffassung von Zusammenarbeit, Freundschaften und Werten. Man muss es so stehen lassen. Sein gutes Verhältnis zum aktuellen FVR-Präsidenten Gregor Eibes, der ihm persönlich grautlierte, macht aber Hoffnung, dass einiges wieder ins Lot kommen kann.
Theo Zwanziger hat in seinen Jahren im Sport mit vielen bleibenden Fortschritten und Erfolgen kein anderes Gesicht gezeigt als er es im Alltag zeigt. Er ist von seinem Tun und von sich überzeugt, er sagt das und verbreitet es. Er ist im DFB mehr als seine Vorgänger auch ein Medienpräsident gewesen. Und er hat es genossen. Dass er dabei dem Fußball dienen wollte, darf man ihm abnehmen. Sich selbst hat er aber dabei nicht zurückgenommen. Man muss ihn gut kennen, um zu verstehen, was er will. Begreifen wird man es dennoch nicht immer. Aber man kommt ihm näher.
Ein streitbarer Präsident war er, auch vor den Gerichten. Das Risiko, dafür nicht geliebt und auch nicht immer verstanden zu werden, hat er immer gekannt. Das hat ihn in seinem Handeln nie gestört. Am Ende hat er mit dem Ergebnis seines letzten Prozesses vor dem Landgericht Frankfurt recht behalten.
Der Idealist und Schwärmer ihn ihm, der immer sagte, im Fußball zu arbeiten sei das schönste Amt auf Erden, diese Seite an ihm gehört aber gleichwertig zu seinem Wirken. Mit etwas Abstand und mehr Gelassenheit wird er seinen Platz in der Geschichte des Fußballs finden. Auch und vor allem im Rheinland. Egal, ob er das will. Der Fußballverband Rheinland wird seine Heimat bleiben.
Hans-Peter Schössler

Glückwünsche zum 80. Geburtstag: Theo Zwanziger (2. von rechts) mit FVR-Präsident Gregor Eibes (rechts), FVR-Vizepräsident Marco Schütz (2. von links) und dem Kreisvorsitzenden Rhein-Lahn, Oliver Stephan.