In der jetzt beginnenden Bundesliga-Saison wird für die Schiedsrichter eine neue Ära eingeläutet. In einem Studio in Köln sitzt ein Video-Assistent pro Spiel. Bei offensichtlichen Fehlentscheidungen gibt er dem Schiedsrichter Bescheid. Der Unparteiische hat allerdings das letzte Wort. Auf diese neue Situation sind die alle Beteiligten durch die Medien bestens vorbereitet worden. Weniger öffentlichkeitswirksam hat an der Schiedsrichter-Basis eine Neuerung Einzug gehalten. Im Fußballverband Rheinland wurde eine Pilotprojekt gestartet, welches zum Ziel hat, neuen Spielleitern den Einstieg zu erleichtern und sie damit dauerhafter als bisher bei der Stange zu halten.
Denn das lehrt die bisherige Erfahrung: Zu viele Neulinge warfen, alleine gelassen mit den zahlreichen Problemen eines Anfängers, nach kurzer Zeit wieder die Brocken hin. Manche wussten auch gar nicht, auf was sie sich einließen, als man sie von Vereinsseite ansprach und zu einem Anwärter-Lehrgang schickte. In Zukunft wird mit ihnen auf Kreisebene ein sogenanntes Eignungsgespräch geführt, in dessen Verlauf die Rechte und Pflichten als Schiedsrichter dargestellt und die persönlichen Voraussetzungen besprochen werden. Dabei kommt auch zur Sprache, was für den Kandidaten ausschlaggebend war, sich zum Schiedsrichter ausbilden zu lassen.
Marc Ruhroth aus Kempenich, der mit weiteren sechs Anwärtern zu den ersten „Versuchskaninchen“ im Fußballkreis Rhein/Ahr gehört, hat eine lange und erfolgreiche Karriere als Motorrad-Rennfahrer hinter sich. An die Stelle von weiten Reisen zu den Rennstrecken in Zolder, Assen, Oschersleben oder Schleiz in Thüringen treten jetzt Kurzfahrten zu den Sportplätzen der Region. So zum Beispiel nach Ettringen, wo der 25-Jährige sein erstes Pflichtspiel pfiff und erstmals in Kontakt trat mit seinem künftigen Paten und Begleiter Jakob Petermeier aus Ahrbrück. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ruhroth bereits zwei Phasen des neuen Konzeptes hinter sich gebracht. Er hatte Anfang Juni in Koblenz die regeltheoretische Ausbildung absolviert und die Anwärterprüfung bestanden. Damit wurde er auf das Soll seines Vereins angerechnet. Das war auch dringend notwendig, denn der FC Spessart, für den Ruhroth pfeifen wird, stand zusammen mit dem SC Kempenich kurz vor dem Zwangsabstieg.
In Mendig ging anschließend Stufe drei, die praktische Schulung der Neu-Schiedsrichter aus der Region, über die Bühne. In vier Lerneinheiten wurden die Neulinge mit den Regularien vor, während und nach einem Spiel vertraut gemacht. Dazu gehörte das Packen der Tasche mit allen nötigen Utensilien ebenso wie die Kontrolle des Platzaufbaus sowie das Anfertigen des Spielberichts. Mit dem „Ernstfall“ wurde Ruhroth erstmals bei einem Freundschaftsspiel der B-Junioren seines Heimatvereins konfrontiert. Und hier musste er bereits erkennen, dass frei nach Goethe „alle Theorie grau ist“. „Erst wenn man mutterseelenallein auf dem Spielfeld steht und in Windeseile Entscheidungen treffen muss, merkt man, dass einem wichtige praktische Erfahrungen fehlen“, weiß Jakob Petermeier nur allzu gut. „Daher ist es so wichtig, jemanden im Rücken zu haben, der einem Hilfestellung und wertvolle Tipps gibt. Darum sind die ersten Schiedsrichtereinsätze mit Patenbegleitung so sinnvoll und hoffentlich auch zielführend.“
Der 63-jährige Petermeier, der vor 34 Jahren als Schiedsrichter begann, zwischendurch neun Jahre lang Obmann im Rhein/Ahr-Kreis war und schon viele Jahre als Beobachter unterwegs ist, begleitete den Neuling aus Kempenich bei seinem Debut, dem D-Junioren-Rheinlandpokalspiel zwischen JSG Vulkaneifel Kottenheim II und JSG Mosel-Hunsrück Lehmen. Der Routinier weiß natürlich, auf was es ankommt, wenn man erstmals mit der Realität auf dem Platz konfrontiert ist. Entsprechend dosiert weist er auf einige wenige, aber sehr wichtige Verhaltensweisen hin. „Man soll die jungen Leute nicht überfordern. Da reichen pro Spiel zwei, drei Dinge, die verbessert werden sollten.“ Das war diesmal der Hinweis in der Halbzeitpause, lauter zu pfeifen und mehr Wert auf deutliche Handzeichen zu legen. Diese Lehren nahm der SR-Youngster an, wie in der Schlussanalyse deutlich wurde. Die Dauer der Zusammenarbeit zwischen SR-Pate und Neuling wird etwa ein halbes Jahr dauern. Ein Betreuungsbogen gibt dann Aufschluss darüber, wie die Zusammenarbeit verlief und auf welchem Leistungsniveau sich der Neuling befindet.
Und wie beurteilt „Patenkind“ Ruhroth dieses erste Zusammentreffen mit seinem Paten? „Ich finde es gut, dass man Fragen direkt und kompetent beantwortet bekommt. Wichtig ist auch das Feedback während und nach dem Spiel. Eines habe ich schon gemerkt: Vom Meister auf zwei Rädern bis zum Meister mit der Pfeife wird es noch ein langer Weg sein“, so Ruhroth. Die nächste Stufe ist erreicht, wenn er nach der Probezeit seitens des SR-Obmanns Markus Wozlawek den erfolgreichen Abschluss testiert bekommt und den Schiedsrichterausweis in Händen hält.
Folgende Schiedsrichteranwärter werden derzeit im Fußballkreis Rhein/Ahr von Paten begleitet:
Florian Schönewald (16 Jahre) aus Bad Neuenahr-Ahrweiler (Pate: Markus Jüris), Michael Lutz (16) aus Kirchwald (Pate: Jürgen Mockenhaupt), Razvan Predoaica (32) aus Wassenach (Patin: Anika Klapper), Marc Ruhroth (25) aus Kempenich (Pate: Jakob Petermeier), Yannis Bernhard (14) aus Thür (Pate: Jürgen Fremgen) und Florian Wassong (16) aus Bad Neuenahr-Ahrweiler (Patin: Michelle Sulewski).